Wie du die Backstory deiner Hauptfigur einarbeitest

In diesem Beitrag geht es um Backstory – also was genau Backstory ist und wie du sie in deiner Geschichte gekonnt einsetzt. Denn die Backstory ist ein wichtiges Element, damit eine Geschichte Tiefe bekommt. Sie hilft, glaubwürdige, dreidimensionale Figuren zu entwickeln, und wenn du fremde Welten erschaffst, ist Backstory wichtig, damit diese realistisch wirken.

Ein Hinweis am Rande: Dieser Blog ist die schriftliche Variante des „Schreiben mit Stil“-Podcasts. Wenn du dir den Inhalt dieses Beitrags also lieber anhören möchtest – hier kommst du zur entsprechenden Episode:

Was ist Backstory?

Ganz einfach gesagt, zählt zur Backstory alles, das vor dem Start der Geschichte auf der ersten Seite passiert ist.

Dabei geht es aber nicht nur darum, was passiert ist. Was du suchst, ist relevante Backstory, also die Vorgeschichte deiner Welt und Figuren, die einen Einfluss darauf hat, was im Verlauf deiner Geschichte passiert. Die Backstory beeinflusst etwa die Motivation deiner Figuren, sich gewissen Situationen zu stellen. Sie beeinflusst, wie deine Hauptfigur auf einzelne Ereignisse reagiert und damit auch, wie die Handlung vorangetrieben wird. Und sie gibt vor, wie du das Thema hinter der Geschichte steuerst, wie du also deine Hauptfigur dazu bringst, die Lektion deiner Geschichte zu lernen.

Um das Warum dahinter zu verstehen, schau einfach auf dich selbst: Stand heute bist du die Summe aller deiner Erfahrungen und Erlebnisse; aller schönen Erinnerungen, die du sammeln konntest, und aller Fehler, die du gemacht hast. So wie deine Vergangenheit beeinflusst, wer du heute in der Gegenwart bist, beeinflusst auch die Vergangenheit deiner Hauptfigur, wer sie im Story-Present ist, also in der Gegenwart, in der deine Geschichte spielt.

Die Erfahrungen, die sie in ihrer Vergangenheit gemacht hat, tragen zur heutigen Weltsicht deine Hauptfigur bei. Ihre vergangenen Erlebnisse haben ihre Ängste, ihre Ziele und die Werte geprägt, die sie für wichtig hält. Anders gesagt: Die Backstory setzt die Plot-Ereignisse für deine Hauptfigur in einen Kontext, und dadurch bekommt deine Geschichte eine Bedeutung.

Für Autor*innen, die diese wichtige Bedeutung der Backstory kennen, bringt das die Gefahr mit, dass sie oft zu viel davon in die Geschichte einweben – oder sie falsch einarbeiten. Hier musst du dich mit Fingerspitzengefühl ans Schreiben setzen, denn die Backstory führt die Geschichte in der Zeit zurück. Ganz egal, ob du Rückblenden nutzt, innere Gedanken zeigst oder lange Erklärungen in Sinne von Exposition schreibst – sobald du von der Vergangenheit erzählst, stoppst du die Vorwärtsbewegung deiner Geschichte.

Lass uns also anschauen, was viele Autor*innen im Umgang mit der Backstory falsch machen, damit du es besser machen kannst.

Die zwei größten Fehler im Umgang mit Backstory

Die beiden häufigsten Backstory-Fehler, die ich im Lektorat in Manuskripten sehe, sind zum einen, dass zu früh zu viel Backstory geteilt wird, und zum anderen, dass zu viel Backstory auf einmal geteilt wird.

Ich verstehe, warum Autor*innen das tun: Sie möchten, dass die Leser*innen von Anfang an alles verstehen, was passiert oder noch passieren wird. Sie sagen damit quasi: „Halt, bevor ich dir die Geschichte erzähle, musst du erst mal ein paar Dinge wissen.“

Aber genau darin liegt der Denkfehler: Leser*innen wollen nicht von Anfang an alles wissen. Wir Menschen sind neugierige Wesen, und nur, wenn wir Andeutungen bekommen und dazu das Versprechen, dass diese mit der Zeit Sinn ergeben, bleiben wir am Ball.

Tatsächlich gibt es nur sehr wenig, das Leser*innen schon vorab über eine Geschichte und die Motivation der Figuren wissen müssen. Es reicht völlig aus, wenn sie die Informationen, die zum Verständnis einer Situation wichtig sind, auch erst in dieser Situation bekommen.

Du als Autor*in musst deine Figuren inklusive ihrer Backstory natürlich in- und auswendig kennen, damit du weißt, warum sie handeln, wie sie handeln und warum sie denken, wie sie es tun. Du musst das auch wissen, damit du die richtigen Konflikte herbeiführen kannst, die deine Figuren in die Richtung des von dir gewünschten Endes steuern.

Nimm deinen Leser*innen aber nicht die Spannung, miträtseln zu können, wie es weitergeht, oder – wenn sie ein gewisses, genretypisches Ende erwarten können – über welche Umwege deine Figuren es dahin schaffen. In einer Romance etwa, in der das Happy End ein Muss ist, ist das Spannende für die Leser*innen nicht, wie die Geschichte ausgeht, sondern wie die Figuren allen Widerständen zum Trotz dieses Happy End erreichen.

Bist du bereit für ein paar Tipps, wie du vermeidest, dass du zu früh zu viel deiner Backstory teilst?

Tipp #1: Arbeite nur dort mit Backstory, wo sie relevant ist

Der Einblick in die Backstory sollte immer durch etwas ausgelöst werden, das im Story-Present der Geschichte passiert. Beobachte mal, wie bei dir selbst Erinnerungen zu vergangenen Erlebnissen aufkommen. Wenn ich von mir ausgehe, werden sie in der Regel durch etwas ausgelöst, das ich sehe, das ich rieche, das ich höre etc. Es gibt zum Beispiel Lieder, die ich mit ganz bestimmten Situationen verbinde, die ich mit dem Herzensmann erlebt habe. Oder es gibt Gerüche, die mich an einen Urlaub oder eine Person erinnern. Ich denke dann aber nicht nur an diesen Urlaub oder diese Person allgemein, sondern direkt auch an Situationen, die ich mit dieser Person erlebt habe, oder an konkrete Ereignisse in diesem Urlaub.

Den meisten Autor*innen fällt es nicht schwer, sich eine umfangreiche Backstory ihrer Figuren auszudenken. Die Kunst ist aber, diese Details zurückzuhalten und sie peu à peu immer nur dann preiszugeben, wenn es zum Verständnis einer bestimmten Reaktion der Hauptfigur oder zur besseren Beschreibung einer einzelnen Situation beiträgt. Wenn du das einhältst, wirst du feststellen, dass du viel mehr über deine Figuren weißt, als du tatsächlich auf den Seiten einbringen musst.

Tipp #2: Vermeide „Info-Dumping

Ich bin mir sehr sicher, dass du den Begriff „Info-Dump“ schon einmal gehört hast. Wenn nicht: Damit ist gemeint, dass ein*e Autor*in die Leser*innen mit Absätzen und Absätzen von Informationen überhäuft, also Passagen lang nur etwas erklärt, ohne, dass es einen Bezug zur Handlung gibt.

Das solltest du unbedingt vermeiden. Verrate deinen Leser*innen nur das, was sie wissen müssen – und zwar genau dann, wenn sie es wissen müssen. Denn wenn du deinen Leser*innen zu viele Informationen gibst und sie damit davon abhältst, weiterzulesen (oder das Weiterlesen obsolet machst), nimmst du ihnen das wichtige „Wie geht es weiter?“-Gefühl, das sie durch die Seiten zieht. Du verlangsamst also das Pacing deiner Geschichte und erhöhst im Gegenzug die Wahrscheinlichkeit, dass deine Leser*innen sich langweilen und das Interesse an deiner Geschichte verlieren.

Tipp #3: Zeige deinen Leser*innen immer, warum die Backstory wichtig ist

Wenn du vom Plot-Geschehen abschweifst, ist es wichtig, dass deine Leser*innen verstehen, warum du das tust. Zeig ihnen also, wie sich die Backstory auf deine Hauptfigur und ihre aktuelle Situation auswirkt. Wie hilft die Backstory zum Beispiel, das aktuelle Geschehen einzuordnen? Welche Reaktion triggert sie, die wiederum ein nächstes Problem nach sich zieht? Wie hilft die Backstory deiner Hauptfigur, das Handeln einer anderen Figur zu verstehen?

Du siehst, je nach Zeitpunkt der Geschichte und wie weit deine Hauptfigur in ihrer Entwicklung fortgeschritten ist, kann die Backstory unterschiedliche Funktionen übernehmen. Eine essenzielle Funktion ist übrigens, den Leser*innen zu zeigen, wie eine Figur tickt. Geh noch einmal von dir selbst aus: Deine früheren Erfahrungen haben nicht nur beeinflusst, wo du heute im Leben stehst. Sie haben auch geprägt, woran du glaubst, was du schätzt, wovor du dich fürchtest, wovon du träumst etc. Manchmal kann es sinnvoll sein, Backstory einzubringen, nur um zu zeigen, warum eine Figur eine bestimmte Angst, Motivation, Überzeugung oder Denkweise hat. Sie trägt also auch dazu bei, authentische Charaktere zu zeigen, die bei den Leser*innen Sympathien wecken.

Analysiere deine Backstory

Wie wäre es mit einer kleinen Fingerübung?

Hol dir das letzte Buch aus dem Regal, das dich so richtig begeistert hat, und schau dir an, wie die/der Autor*in dieser Geschichte Backstory eingesetzt hat. Zur Analyse kannst du dieselben Steps durchgehen, mit denen du auch eine Szene aus deinem eigenen Manuskript unter die Lupe nehmen kannst:

Step 1: Markiere alle Passagen in dieser Szene, die nicht zum Story-Present zählen.

Step 2: Versuche, so objektiv wie möglich zu bewerten, ob die Leser*innen das an dieser Stelle wirklich über eine Figur wissen müssen. Vielleicht ist es ein Detail, das nur du interessant findest, das für die Geschichte aber nicht unbedingt wichtig ist. Was passiert, wenn du diese Information weglässt? Funktioniert die Geschichte trotzdem noch oder fällt sie auseinander?

Step 3: Wenn du entscheidest, dass ein bestimmtes Detail wichtig ist, frage dich: Müssen die Leser*innen das genau jetzt wissen? Oder könntest du diese Information auch an einer anderen Stelle in dieser Szene oder vielleicht sogar ganz woanders in der Geschichte einbringen, wo sie sogar noch relevanter ist?

Eine weitere Frage ist dann, ob du diesen Teil der Backstory auch anders einbringen könntest, als ihn einfach zu erzählen. Kannst du dasselbe vielleicht auch durch subtile Andeutungen und Anspielungen erreichen, indem deine Leser*innen die Lücke durch ihre Vorstellungskraft füllen müssen?

Es ist eine schnelle Übung, aber sie kann dir wirklich viel darüber verraten, was in einer Szene vor sich geht, ob du zu viel Backstory eingebracht oder ob du sie vielleicht an der falschen Stelle geteilt hast. Wenn es dir schwerfällt, das in deinem eigenen Manuskript objektiv zu bewerten, tausche ein paar Kapitel mit einer befreundeten Autorin oder einem befreundeten Autor und gebt euch gegenseitig Feedback. Oder bitte deine Beta-Leser*innen, gezielt darauf zu achten.

Long Story short

Fassen wir noch einmal zusammen

Du musst die Vorgeschichte deiner Hauptfigur kennen, denn alles, was sie bis zur ersten Seite deiner Geschichte erlebt hat, hat sie zu der Person gemacht, die sie im Story-Present, also in der Gegenwart deiner Geschichte, ist. Ihre Weltanschauung, ihre Ängste, ihre Ziele, ihre Motivationen, die Werte, die sie schätzt – das alles ist eine Summe der Erfahrungen und Erlebnisse in ihrer Vergangenheit.

Füge Backstory nur dort ein, wo sie relevant ist. Das heißt, wo zum Beispiel Erinnerungen durch etwas ausgelöst werden, das im Story-Present passiert, oder wo die Backstory helfen kann, das gegenwärtige Geschehen der Geschichte richtig einzuordnen.

Vermeide Info-Dumping. Gib deinen Leser*innen stattdessen nur die wenigen Infos, die sie in einer Szene unbedingt benötigen, um das Geschehen zu verstehen – und die dir als Autor*in helfen, die Geschichte voranzutreiben.

Zeige deinen Leser*innen immer, warum ein Teil der Backstory wichtig ist, indem du klar herausarbeitest, wie sie deine Hauptfigur in einem bestimmten Moment beeinflusst.

Ich weiß, dass es tricky sein kann, die Fülle an Backstory, die man als Autor*in im Hinterkopf hat, nur dosiert und gezielt in der Geschichte zu teilen. Aber wenn du hier ein wenig herumspielst und es schaffst, diesen Teil des Geschichtenerzählens zu meistern, wird das deine Geschichten nur besser machen.

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6 Story Basics für starke Protagonist*innen
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